Die erste Klettertour, der Traunstein SW Grat 3+ mit Bergführer

Lehrreich und luftig

Judith Pointner durfte ihre erste Klettertour mit climbinsolutions über den Süd-West-Grat auf den Traunstein unternehmen. Ein Gastbeitrag über einen außerordentlich lehrreichen ersten Tag am Seil. 

Lektion Nummer Eins: Hör immer auf den Bergführer. Wenn er sagt: “Geh’ einfach”, dann gehst du. Und wenn er sagt: “Freu dich!”, dann freust du dich. Und zwar so richtig. In diesem Fall hätte Stefan das aber nicht extra dazu sagen müssen. Denn ich freue mich riesig. Ich stehe auf einem Gratzacken, die Hände in der Luft, die Sonne im Gesicht und den Wind in den Haaren. Links und rechts von mir fällt der Traunstein-Süd-West-Grat steil ab. Über mir der blaue Himmel. Um mich herum Luft, Leere, Weite. Und ein unfassbar schönes Gefühl. Es fühlt sich nach Freiheit an. 

Aber wie bin ich überhaupt hierher gekommen? Wir drehen die Zeit ein paar Wochen zurück, als mich folgende Frage beschäftigte: Ich und klettern – kann das gut gehen? Wandern, ja. Steile Passagen, gerne! Aber richtig klettern? Ich weiß nicht. 

Als ich die Tour auf den Traunstein via Süd-West-Grat (3+) – ein luftiger Klassiker für Anfänger – bei climbingsolutions buche, tue ich das nicht ohne Zweifel. Bin ich zu ungeschickt? Sind die Arme zu schwach? Bin ich wirklich schwindelfrei? Bin ich trittsicher genug? “Denk nicht so viel nach”, sagt Stefan. Auf mein zaghaftes: “Aber ich war doch noch nie klettern” antwortet er mit einem lapidaren: “Aber ich war schon klettern” und setzt nach: “Gemeinsam schaffen wir das”. Er wird recht behalten. 

Gmunden, 8.30 Uhr. Wer einen der raren Parkplätze am Umkehrplatz ergattern will, dem sei auch an Wochentagen einen früherer Start als 8:30 Uhr ans Herz gelegt. Wer zu spät kommt, der muss weiter gehen. Den Zustieg zum Süd-West-Grat bewältigen wir trotzdem in Rekordzeit. Im Gepäck: Klettergurt, Helm, Seil. Und eine Packung Gummibärchen – zur Beruhigung der Nerven. Stefan denkt mit.

Den Einstieg markiert ein riesiger Bohrhaken, der an die Schattenseiten des Bergsports erinnert. “30. Mai 1991” ist darauf eingraviert. Damals war ich zwei Jahre alt. Heute bin ich 32 und fühle mich fast so hilflos wie ein Kleinkind, als Stefan flink nach oben klettert und außer Sichtweite gerät. Wie soll das überhaupt funktionieren mit dem Klettern? Ich werde nervös. Ich habe doch gar keine Ahnung davon. Und was mache ich eigentlich hier? 

“Warte bis das Seil sich spannt. Und dann geh einfach!”, höre ich von oben. Mehr Anweisung gibt es nicht. Mehr Anweisung braucht es nicht. Sobald meine Hände den Fels berühren, Griffe suchen und mich nach oben ziehen, ist die Aufregung wie weggeblasen. Es gibt nur mich und den Grat. Alles andere ist für den Moment unwichtig. Wobei es natürlich schon wichtig gewesen wäre, die Karabiner entlang der Strecke wieder mitzunehmen. Dass mich Stefan darauf nicht  hingewiesen hat, muss er mit Extra-Metern bezahlen. Woher soll man so etwas als Anfängerin bitte wissen?! 

Der kleine Karabiner-Faux-Pas ist schnell vergessen. Es geht weiter, immer entlang der Gratschneise. Brutal ausgesetzt, Tiefblicke wohin das Auge reicht, Fotomomente Ende nie! Der glitzernde Traunsee hält sich als stiller Begleiter nobel im Hintergrund, während man gut 600 Höhenmeter auf der Tour zurücklegt. Zum Gipfel des Traunsteins fehlen immer noch rund 700 steile Meter. Ein weiterer Aufstieg ist deshalb nur gut konditionierten Sportlern anzuraten.

Hinunter geht es über den markierten und gut seilversicherten Naturfreundesteig, retour entlang des Mieswegs, wo man dem Traunsee ganz nahe kommen und sich von ihm die Füße kühlen lassen kann. 

Beim Auto angekommen wandert der Blick noch einmal entlang der schroffen Felswände hinauf zum Wächter des Salzkammerguts. Meine Bilanz? Es war ein schöner Tag. Und es war gut, auf den Bergführer gehört zu haben. 

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